Am kommenden Samstag geht eines der erfolgreichsten Kapitel der Porsche-Motorsport-Geschichte zu Ende: Der neunte und letzte Lauf zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft 2017 wird gleichzeitig der finale Renneinsatz für den Porsche 919 Hybrid. Der erste Testträger des Klasse-1-Le-Mans-Prototyps wurde 2013 von einem komplett neu aufgebauten Team im Porsche Entwicklungszentrum Weissach auf die Räder gestellt. Das Antriebskonzept aus dem effizientesten Verbrennungsmotor, den Porsche bislang gebaut hat, und zwei verschiedenen Energierückgewinnungssystemen war ebenso eigenständig wie mutig. Trotz einer schwierigen Testphase folgten bereits 2014 die ersten Erfolge: vier Polepositions und der erste Rennsieg. Von 2015 bis einschließlich 2017 gewann das Porsche LMP Team dann alles, was es zu gewinnen gab: drei Le-Mans-Gesamtsiege in Folge, drei Weltmeistertitel in der Herstellerwertung und drei WM-Titel für die Fahrer des Porsche 919 Hybrid.
Der Einstieg von Porsche in die LMP1-Kategorie zur Saison 2014 fußt auf der von Ferry Porsche proklamierten Philosophie: Er etablierte den Motorsport als Härtetest und Entwicklungsbeschleuniger für zukünftige Straßensportwagen. Das ab 2014 geltende LMP1-Reglement war eine ungeheure Herausforderung. Es verpflichtete Hersteller zur Hybridisierung, bestrafte gleichzeitig eine hohe Energierückgewinnung mit limitiertem Kraftstoffverbrauch und ließ parallel große Freiheiten bei der Umsetzung. Die Porsche-Ingenieure orientierten sich nicht an Bestehendem, sondern nutzen ihre Chance, von null auf einen revolutionären Rennwagen zu kreieren.
Der Porsche 919 Hybrid entwickelt rund 900 PS (662 kW) Systemleistung aus einem kompakten Zweiliter-V4-Turbobenziner (knapp 500 PS/368 kW) in Kombination mit zwei verschiedenen Rückgewinnungssystemen – Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie. Während der Verbrenner die Hinterachse antreibt, wirkt beim Boosten ein E-Motor mit über 400 PS (294 kW) an der Vorderachse und sorgt für Allradantrieb beim Beschleunigen. Gleichzeitig sammelt der 919 unter Last wieder Energie aus dem Abgastrakt ein, die sonst ungenutzt entweichen würde. Als Zwischenspeicher für den aus Brems- und Abgasenergie gewonnenen elektrischen Strom dient eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie. Die Know-how-Ausbeute der 919-Entwicklung für die Hybrid- und E-Mobilität von zukünftigen Serienfahrzeugen ist unbezahlbar. Bei der Verbrennungseffizienz, Batterietechnologie, Hochvolttechnik und Energierückgewinnung stieß Porsche in bis dahin ungekannte Dimensionen vor.
Fritz Enzinger, Leiter LMP1, erinnert sich: „Wir haben damals quasi aus dem Stand einen hochkomplexen Hybrid-Rennwagen auf Formel-1-Niveau entwickelt. Die Anfangsphase war extrem fordernd, zumal wir parallel die Infrastruktur inklusive neuer Gebäude schaffen und ein Team mit letztlich 260 exzellenten Leuten zusammenstellen mussten. Die Zeit war knapp, und Le Mans 2014 kam viel zu früh für uns. Aber danach konnten wir maximale Erfolge einfahren. Ich bin unglaublich stolz auf dieses Team und wünsche uns allen, dass wir die Ära des Porsche 919 Hybrid in Bahrain mit einem guten Rennen abschließen können.“
Bei seinem letzten Sechsstundenrennen wird der Porsche 919 Hybrid in Bahrain am Samstag, den 18. November 2017, noch einmal in die Nacht eintauchen. Start ist um 16:00 Uhr Ortszeit (14:00 Uhr MEZ). Bereits um 16:46 Uhr geht die Sonne über der Wüste dann schon wieder unter. Anders als in Le Mans fahren die Piloten in Bahrain allerdings nicht nur im Tunnel des Scheinwerferlichts. 5000 Flutlicht-Scheinwerfer erhellen den Formel-1-Kurs und ermöglichen damit auch eine weltweite Online- und TV-Übertragung bis zur letzten Runde.
Das Porsche LMP Team vor dem Finale
Teamchef Andreas Seidl: „Ich bin sehr erleichtert, dass der Druck der erneuten Titelverteidigung von Hersteller- und Fahrer-WM vor dem letzten Renneinsatz gewichen ist. Die Emotionalität des Abschieds unter der Belastung des Titelkampfs auszuhalten, wäre für die Mannschaft besonders hart geworden. In der Saison 2017 hatten wir in Toyota einen Konkurrenten, der 2016 noch einmal ein komplett neues Fahrzeug aufgelegt hat. Bei uns ging es hingegen um Weiterentwicklungen auf bestehender Basis. Dass wir dennoch sowohl Le Mans als auch beide WM-Titel geholt haben, ist überragenden fahrerischen Leistungen zu verdanken, vielen Detailentwicklungen und der operativen Stärke des Teams. Jetzt heißt es in Bahrain noch einmal volle Konzentration! Denn wir wollen die Bühne nicht nur als Weltmeister, sondern auch mit einer für uns alle befriedigenden Leistung verlassen. Auch beim letzten Rennen gilt: Sechs Stunden Standfestigkeit und fehlerfreie Arbeit sind eine große Herausforderung für Mensch und Material. Sicherheit bleibt oberstes Gebot. Erst beim Fallen der Zielflagge dürfen wir uns auch wehmütigen Gedanken hingeben.“
Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 1
Neel Jani (33, Schweiz): „Das letzte Rennen in der Geschichte des Porsche 919 Hybrid wird sicher ein ganz spezielles. Es wird das Ende einer großen Ära, und unter diesem Zeichen werden wir das Wochenende erleben. Gleichzeitig steht für uns als Fahrercrew ein gutes Rennergebnis im Vordergrund. Wir werden alles geben, um den 919 gebührend in den Ruhestand zu schicken. Die Strecke sollte uns mit dem High-Downforce-Aerodynamikpaket liegen. Der Kurs ist generell aggressiv zu den Reifen. Tagsüber könnte es heiß sein, aber wir fahren ja in die kühlere Nacht hinein. Dementsprechend müssen wir unsere Taktik bezüglich der Reifenwahl auslegen.“
André Lotterer (35, Deutschland): „In Bahrain wird das ganze Team ein sehr emotionales Wochenende haben. Ich habe das ähnlich im vergangenen Jahr mit Audi erlebt. Aber jetzt wird es für das ganze Fahrerlager noch einmal etwas anderes: Da geht eine Ära mit einem tollen Wettbewerb von extrem geilen Sportwagen mit Hybridtechnik zu Ende. Ich werde versuchen, jede Sekunde zu genießen und die ganzen Erinnerungen mit in die Zukunft zu nehmen. Ich will eine gute Leistung für einen schönen Abschied erbringen. Das Strecken-Layout in Bahrain gehört nicht zu meinen Favoriten, aber es ist trotzdem immer gut, dort zu fahren. Auch das Wetter in der Wüste passt in der Regel. Für die Reifen wird das Rennen sehr anspruchsvoll. Aber ich denke, dass wir mit dem 919 ein Top-Auto haben, um dort gewinnen zu können.“
Nick Tandy (33, Großbritannien): „Ich mag noch nicht an den Abschied denken. Das Finale in Bahrain ist auch unabhängig davon ein besonderes Rennen, weil wir vom Tag in die Nacht fahren. Außerdem ist es normalerweise sehr heiß, und das setzt uns Fahrern, der Crew, dem Auto und insbesondere den Reifen ordentlich zu. Das alles macht dieses Sechsstundenrennen zu einem sehr herausfordernden Einsatz zum Saisonabschluss. Ich bin 2015 zuletzt in Bahrain gefahren. Damals stand ich als Zweiter in der LMP2-Klasse auf dem Podium. Jetzt will ich es dort noch einmal auf das LMP1-Podest schaffen.“
Fahrer Porsche 919 Hybrid Startnummer 2
Earl Bamber (27, Neuseeland): „Zwei Le-Mans-Gesamtsiege und jetzt der Weltmeistertitel – ich habe Porsche und dem 919 Hybrid unglaublich viel zu verdanken. 2015 für Le Mans ausgewählt zu werden, war eine Riesenchance. Fritz, Andreas und das Team haben mir das als Carrera-Cup-Fahrer erstaunlicherweise zugetraut und an mich geglaubt. 2016 fuhr ich wieder GT und habe es dann als Stammfahrer für 2017 erneut in den 919 Hybrid geschafft. Es war ein fantastisches Jahr mit dem Team, in dem ich viel gelernt habe. Jetzt aufzuhören, fühlt sich fremd an, denn ich habe das Gefühl, noch jedes Rennwochenende besser zu werden und noch längst nicht alles gezeigt zu haben. Bahrain wird auf jeden Fall anspruchsvoll, wir werden noch einmal alles geben. Zwei Porsche Le-Mans-Rennwagen mit meinem Namen an der Seite im Museum zu sehen, ist eigentlich unfassbar. Daran hängen unbeschreibliche Erinnerungen.“
Timo Bernhard (36, Deutschland): „Es ist toll, dass wir in Shanghai schon beide Titel einfahren konnten. Jetzt können wir in Bahrain befreit Gas geben und das letzte Rennwochenende des Porsche 919 Hybrid richtig genießen. Und damit meine ich, noch einmal das Maximum herauszuholen, ohne den Meisterschaftsdruck zu haben. Es wird auf jeden Fall ein Wochenende voller Emotionen, auch weil so vieles aus der Anfangszeit wieder präsent wird. Ich habe sehr intensive Erinnerungen daran, wie sich das ganze Programm von Anfang entwickelt hat. Wenn dann der letzte Rennstint mit dem 919 gefahren ist, wird eine Menge hochkommen. Diese vier, beziehungsweise mit Entwicklung fünf Jahre, waren einfach eine geile Zeit, und ich möchte keinen Moment davon missen. Ich freue mich sehr auf Bahrain – auch wenn ich weiß, dass es für uns alle nicht einfach wird, bei einem ausgesprochen harten Sechsstundenrennen die Gefühle an den Abschied zu unterdrücken.“
Brendon Hartley (28, Neuseeland): „In Bahrain zum Finale anzutreten, wird für uns alle sehr bewegend. Insbesondere, weil wir jetzt als Weltmeister noch einmal befreit durchstarten können. Ich trage so viele wunderbare Erinnerungen und Erfahrungen aus der Zeit mit dem Porsche 919 Hybrid, den Fahrerkollegen und all den Jungs und Mädels aus dem Porsche LMP Team in mir. Wir haben etwas ganz Besonderes miteinander geteilt. Wir haben den 919 über mehr als vier Jahre stetig weiterentwickelt. Heute ist er ein absoluter Traum zum Fahren. Wir werden in Bahrain jede einzelne Runde mit dieser ultimativen Fahrmaschine genießen. Das Wochenende wird einerseits traurig, aber andererseits sind wir alle voller Ehrgeiz, um für dieses Programm die Abschiedsvorstellung auf die Beine zu stellen, die es verdient.“
Zeitplan (Angaben in Ortszeit): Donnerstag, 16. November 2017 15:00-16:30 Uhr 1. Freies Training 19:30-21:00 Uhr 2. Freies Training Freitag, 17. November 2017 11:20-12:20 Uhr 3. Freies Training 17:30-17:50 Uhr Qualifying LMP1 & LMP2 Samstag, 18. November 2017 16:00-22:00 Uhr Rennen
TV und Livestream (Angaben in MEZ): – Kostenfreier Livestream unter www.sport1.de: Samstag, 13:30-20:30 Uhr – Sport 1 Plus, Pay-TV, Rennen live: Samstag, 15:30-16:45 Uhr, Wiederholung gesamtes Rennen am Sonntag, 04:35-10:45 Uhr, Highlights am Montag, 20:05-20:50 Uhr. – Sport 1, Free TV: Samstag, Rennen live, 13:45-17:00 Uhr und 19:00-20:30 Uhr sowie Highlights am Sonntag von 23:00-00:00 Uhr. – Motorsport.TV, Pay TV, Rennen live mit deutschem Kommentar am Samstag, 13:45-20:05 Uhr – Eurosport 1, Free TV: Highlights und Schlussphase des Rennens am Samstag live 17:15-20:10 Uhr. – Die offizielle FIA WEC App ist in der Basis kostenlos und bietet gegen Gebühr eine erweiterte Version inklusive Livestream des kompletten Rennens und Zeitnahme. Der Livestream wird betreut und kommentiert vom FIA WEC TV-Team inklusive der Live-Interviews aus den Boxen.
Social-Media-Aktion zum Abschied: #919tribute – Die schönsten Abschiedsgrüße und Glückwünsche auf Facebook, Instagram und Twitter mit dem Hashtag #919tribute werden auf der offiziellen Porsche-Hompage Porsche.com (http://porsche.com/919tribute) und in LED-Leuchtschrift am Porsche Museum in Zuffenhausen veröffentlicht.
Zahlen und Fakten: – Das Effizienzreglement der WEC begrenzt die Energiemenge, die der Porsche 919 Hybrid pro Runde einsetzen darf. Auf dem 5,41 Kilometer langen Bahrain International Circuit sind es 4,92 Megajoule elektrische Energie aus den Rückgewinnungssystemen und 1,907 Liter (1,381 Kilogramm) Benzin. – Bei normalem Rennbetrieb muss der 919 alle 31 Runden tanken. – Betankung und Reifenwechsel dürfen nur nacheinander durchgeführt werden. Beim Radwechsel dürfen nur vier Mechaniker gleichzeitig arbeiten. Es darf auch nur ein Schlagschrauber zur Zeit eingesetzt werden. Der Boxenstopp dauert also viel länger als etwa in der Formel 1. – Fahrerwechsel erfolgen normalerweise, wenn neue Reifen gebraucht werden. – Die Reifenauswahl umfasst drei unterschiedlich harte Mischungen Slicks für trockene Strecke, einen ebenfalls profillosen Hybrid-Reifen mit weicherer Lauffläche für gemischte Bedingungen sowie Regenreifen. Es stehen vier Sätze Trockenreifen pro Fahrzeug für Qualifying und Rennen zur Verfügung. Das sind zwei Sätze weniger als 2016. – Eine Runde auf der Formel-1-Variante des Bahrain International Circuit hat neun Rechts- und sechs Linkskurven. Die längste Gerade führt über Start-und-Ziel und misst 1,090 Kilometer. – Die 2004 fertiggestellte Strecke liegt rund 30 Kilometer außerhalb von Manama, der Hauptstadt Bahrains. Zum Königreich gehören über 30 Inseln im Persischen Golf. Die Fläche beträgt rund 750 Quadratkilometer; Bahrain hat mittlerweile fast 1,5 Millionen Einwohner.
Rückblick: – 2016 feierte Porsche in Bahrain den Gewinn der Fahrerweltmeisterschaft durch Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE). Es war eine Zitterpartie: Dumas/Jani/Lieb waren als Dritte gestartet und kamen nach einer Kollision früh im Rennen nur als Sechste ins Ziel. – Timo Bernhard, Brendon Hartley und Mark Webber (AU) wurden von Startplatz zwei aus Dritte. Audi verabschiedete sich mit einem Doppelsieg aus der WEC. – Beim Start herrschten 30 Grad Celsius, nach Sonnenuntergang kühlte die Luft bis auf 24 Grad Celsius ab.
Alle Punktestände: http://www.fiawec.com/en/season/result Alle Ergebnisse: http://fiawec.alkamelsystems.com
Pressemitteilung Porsche
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